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Geboren 1962 in Grabs (Schweiz). Lebt und arbeitet in Zurich.
Pipilotti, die am 21. Juni 1962 in Kanton Sankt-Gallen am Rhein in der Schweiz geboren wurde, studierte Graphik und Photographie an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien (Österreich) und an der Schule für Gestaltung (in der Klasse für Videoproduktion) in Basel (Schweiz). Sie ist in Zürich als Künstlerin und Musikerin in den von Ihr bevorzugten Bereichen Video- und Digitaltechniken tätig. Sie war Mitglied der Musikgruppe “Les Reines prochaines” (zusammen mit u.a. Muda Mathis) und des Labors für Bild und Ton “Dig It”. Sie ist Mitbegründerin der Gruppe VIA (Kunst, Audio und Videos) von Basel, und des Videoladens in Zurich. Pipilotti, Produzentin, Regisseurin und oft auch Protagonistin ihrer Videos, ist bei der künstlerischen Produktion sehr auf Unabhängigkeit bedacht; weshalb sie die Video- und Digitaltechnik dem traditionellen Film vorzieht. Ihre Videos wurden auf zahlreichen Festivals und in vielen Museen in der Schweiz und im Ausland, aber auch im Fernsehen gezeigt. Die Präsentation ihres Videos Pickelporno bei den Schweizer Filmtagen in Soleure (Schweiz) 1992 stellt eine Wende in ihrer jungen Karriere dar. Darauf folgten zahlreiche kollektive und individuelle Prestige-Ausstellungen, unter anderem bei der Biennale von Sao Paulo (Brasilen) 1994, der Biennale von Lyon 1997 und von Venedig 1999 wo ihr der “Premio 2000”verliehen wurde. Ihre Ausstellung Remake of the Week-End, die in Berlin, Wien und Paris 1998 und 1999 zu sehen war, unterstrich als Besonderheit die immer zahlreicher werdenden Künstler, die das Video als Referenz für die volksnahe Kultur der Bilder (Fernsehen und/oder Kino). Gleichzeitig ist sie zwischen 1996 und 1998 künstlerische Leiterin der Expositition nationale suisse (Expo.02). Der einzigartige Stil, den sie dieser ehrwürdigen nationalen Förderungsinstitution aufzwingt und ihre überraschende vorzeitige Kündigung tragen weitgehend zu ihrer Popularität in der Schweiz bei. Hier ist sie zusammen mit Jean Tinguely eine der seltenen Künstlerinnen, deren Namen und Persönlichkeit jeder kennt, was ihr einen Pop-Künstlerstatus im Warhol'schen Sinne einbrachte.
Das Video als Medienkritik oder als Mittel für eine phenomenologische Reflexion ist ganz und ar nicht das was Pipilotti sucht. Das Fernsehen interessiert sie als Kleinod der Popkultur. Sie liegt radikal hinter Mac Luhan und Nam June Paik, mitten im Global village. In diesem monumentalen Umfeld, (erste Gelegenheit: La Chambre, Installation mit riesigen Möbeln, 1994) nutzt sie die wichtigsten Graphik- und Tontechniken des Fernsehens, die sie als Teile einer aus Design, Mode, Skulpturen und Projektionen zusammengesetzten Gesamtstimmung sieht –nicht zu vergessen ist auch überall präsente Musik - die den Zuschauer in mit Stimmungen konfrontieren, in denen er die Orientierung verliert. Uta Grosenick und Burkhard Riemschneider wählen in Art of the Millenium, herausgegeben bei Taschen 1999, ein Zitat, das die Persönlichkeit Pipilotti's treffend beschreibt: „Die durch Emotion oder die Sinnlichkeit übermittelten Botschaften können mehr Vorurteile abbauen und Gewohnheiten durchbrechen als Dutzende Schmähschriften oder von Intellektuellen verfasste Verträge”. Sie beschäftigt sich ferner mit sehr zeitgenössischen Themen, insbesondere mit dem Unterschied zwischen den Geschlechtern, der Weiblichkeit und der Unterhaltungskultur.
Selbst wenn sie in mehreren ihrer Videos mitspielt, identifiziert sie sich nicht ständig mit ihrem künstlerischen Schaffen, sondern behält eine ironische, rebellisch-kokette Distanz dazu. Ihre Identität als Frau stellt sie nicht dramatisch dar sondern vielmehr durch Performance mit Hilfe von Stimme und Gesang und in einer ganz besonderen Mischung aus Verkleidung, dem interessanten Bezug zu Maschinen und Sinn für humoristischer Provokation. Zahlreiche Journalisten amüsierte es, dieses Image des “Bad girlie” dem klassischen Feminismus gegenüberzustellen. Nancy Spector jedoch deckte in einem 1996 (in: Parkett No 48) erschienenen Artikel den tiefen feministischen Gehalt der Arbeit Pipilotti's auf, die nach der Definition von Luce Irigaray oder Hélène Cixous in der Einbeziehung sogenannter weiblicher Werte wie Fluss, Flexibilität und insbesondere der bei Pipilotti überall präsenten plastischen Aspekte in Form Meeres-Metaphern liegt. Auf die Frage eines Journalisten ob sie Feministin sei antwortete Pipilotti: “Ja, Adel verpflichtet”. Von der Produktion ihrer ersten Videos an, Mitte der 80iger Jahre, in denen sie sich mit viel Abstand und Humor selbst in Szene setzt (I'm not the Girl who Misses much, 1986 als anerkanntes Beispiel), sowie in den Konzerten, die sie zur gleichen Zeit mit der Gruppe “Reines prochaines” gibt, bringt Pipilotti immer die eigene Persönlichkeit in ihre Werke ein indem sie Kreation und Werbung mischt und gleichzeitig ihren Status als in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeit ernst nimmt. Sie komponiert selbst die jeweilige Musik und verwendet dabei oft bekannte Lieder (von John Lennon bis zu Chris Isaak); ferner benutzt sie unzählige Alltagsobjekte (Kleider, Handtaschen, Möbel), plant ihre Kunstwerke als Clips, farbenfroh, oft amüsant, zeitweise aggressiv – kurz - auf nicht weniger effiziente Weise als die kommerziellen Kreateure. Der Unterschied liegt im systematischen Einbezug von Schleuderelementen wie den Streifen, den Kehr….schrillenden und geifernden Farben, Verschwimm- und Zittereffekte im Bild und die Übersättigung der Dissonanz bei den Tonbändern: Diese Abweichung stellt für Pipilotti den möglichen Raum für Poesie dar. Die Kunst des Umstellens, die falsche Naivität: das sind die Leitlinien der Arbeit von Pipilotti, die der Traumwelt der Kinder gleicht, familiär und absolut utopisch. (LLH)