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Salla Tykkä ist Videokünstlerin und Fotografin. Sie ist 1973 in Helsinki, Finnland, geboren, wo sie zur Zeit lebt und arbeitet. Schon vor Studienabschluss an der Hochschule für Bildende Künste in Helsinki (von 1995 bis 1999) hat sie ihre erste Einzelausstellung 1997 in Finnland. Sie hat seither an zahlreichen internationalen Sammelausstellungen teilgenommen (an der Biennale von Venedig, 2001, an der Wanderausstellung Greyscale / CMYK im Tramway von Glasgow, 2002, und an der Royal Hibernian Academy von Dublin, 2003, und an der „Baltic Triennal Of International Art“, 2002, in Vilnius, Litauen) und ihre Werke in mehr als zehn Einzelausstellungen vorgestellt (namentlich 2002 in der Kunsthalle in Bern, in der BAWAG Stiftung in Wien, im Statens Museum for Kunst in Kopenhagen, sowie 2003 am Herbert F. Johnson Museum of Art in Ithaca, USA).
Die ersten Arbeiten Salla Tykkäs, vor allem fotografische Werke, sind durch ihre persönliche Geschichte geprägt. Da sie jahrelang an Essstörungen (genauer an Anorexie) litt, bediente sie sich der Kunst als Selbsttherapie, als ein Mittel um ihren Körper wieder in den Griff zu bekommen[1]. Ihr erstes Werk nennt sich übrigens: My Body is my Art, my Body is my Enemy, “Mein Körper ist meine Kunst, mein Körper ist mein Feind” (1966). Bis 1999 steht die Krankheit und die Beziehung der Frau zu ihrem Körper im Mittelpunkt jedes Werks von Salla Tykkä, sei es in ihren Video- (My Hate is Useless, „Mein Hass ist nutzlos“, 1966) oder Fotoarbeiten (This is the first bit I eat today, „Dies ist der erste Bissen, den ich heute zu mir nehme“, 1997, und Sick, More Sick, The Sickest One, „Krank, kränker, am kränksten“, 1997-1998). Für sie bedeutet „künstlerisch zu arbeiten, einen dauernden Todeskampf mit sich selbst auszutragen.“[2]
In Bitch – Portrait of The Happy One („Schlampe – Porträt einer Glücklichen“), ein Video von 1997, inszeniert sich die Künstlerin erneut und ist dieses Mal dem künstlichen Glück einer jungen, schönen und reichen Frau in der Glamourwelt der Berühmtheit auf der Spur. Ein Filmstar steigt aus einer Limousine aus und grüsst die zahlreichen Fans, die ihn erwarten: diese einzige Sequenz wird mehrere Male wiederholt und scheint endlos zu sein, wodurch ihr künstlicher und parodistischer Aspekt noch hervorgehoben wird.
Ab da wird der Einsatz von Codes aus der Medienkommunikation und den Hollywood-Superproduktionen zu einem der hauptsächlichen Charakteristiken im Werk Salla Tykkäs.
Ihr Film Power, 1999 als 16-mm-Film gedreht und auf Video übertragen, funktioniert gemäß den semiotischen Codes des Boxfilms. Mit der Filmmusik von Rocky (dem Film von John G. Avildsen mit Sylvester Stallone, 1976) als musikalischer Untermalung, kämpft eine junge, als Berufsboxerin gekleidete (Satinshort und nackter Oberkörper) junge Frau, Salla Tykkä selbst, mit einem als Trainer gekleideten, reiferen Mann. Der Eindruck von Verwundbarkeit, den die junge Frau gegenüber einem ihr in Größe und Stärke überlegenen Mann hervorruft, wird durch ihre nackten Brüste noch verstärkt. In einem Interview im italienischen Kunstmagazin Boiler erklärt die Künstlerin: „ Ich habe in Power das Boxen als Metapher für das Leben, für den ewigen Kampf um ein Gleichgewicht im Machtverhältnis zwischen beiden Geschlechtern benutzt. Die Frau mit den nackten Brüsten stellt den provokativen Teil der Arbeit dar. Der Schmerz wird hervorgehoben und das Stück bekommt eine besondere emotionale Spannung.“[3] Sie schreibt an anderer Stelle: „Power ist eine Stellungnahme gegen die Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft, aber er kann auch als symbolischer Kampf für das Leben und das Überleben durch diesen Kampf angesehen werden.“[4]
Eigentlich besteht das Werk Power aus diesem kurzen Film und einer Fotoserie, deren berühmtestes Foto, American Dream, eine junge Frau, die ebenfalls gerade boxt und von der man weder die Beine noch das Gesicht sieht, darstellt. Über ihrem blauen Satinshort ist der Oberkörper nicht mehr nackt: ihr Brüste sind durch eine Bandage zusammen gepresst und an der Stelle, wo sich die Brustwarzen befinden, sind zwei Blutflecken sichtbar. Die junge Frau ist verletzt und kämpferisch zugleich, sie scheint ihre Weiblichkeit zu verbergen zu suchen, indem sie sie zur Geltung bringt. Salla Tykkä unterstreicht hier die intime Mischung zwischen Schmerz und Lust (sie hat im übrigen 2000 eine Fotoserie realisiert, die sich Pain, Pleasure, Guilt nennt) und benutzt die Porno-Klischees um den voyeuristischen Blick des Betrachters in eine andere Richtung zu lenken[5].
Im Jahre 2000 beginnt die Künstlerin eine Video-Trilogie, die durch eine Arbeit über die Genre-Filme des Hollywoodkinos die Zeit des Übergangs vom Jugend- ins Erwachsenenalter eines jungen Mädchens untersucht, die Entdeckung seiner erwachenden Weiblichkeit und die zugleich zweideutige und konfliktgeladene Beziehung zwischen Männern und Frauen.
Die drei Filme, Lasso (2000), Thriller (2001) und Cave (2003) basieren formal auf den Codes eines spezifischen Filmgenres: dem Western für Lasso, dem Horrorfilm für Thriller und dem Zukunftskino für Cave. Die Tonspur der Filme ist in dieser Hinsicht von wesentlicher Bedeutung, da die Künstlerin für jeden Film die für sein Genre repräsentativste Musik gewählt hat: das Motiv von Ennio Morricone in Spiel mir das Lied vom Tod für den Western, das von John Carpenter in Halloween für den Horrorfilm und schließlich eine Musik von Brian Eno (einer der Schöpfer der elektronischen Musik in den Siebziger Jahren, dessen Stücke oft in Science-Fiction-Filmen eingesetzt wurden) für den Zukunftsfilm.
Diese Filme, wie auch das Gesamtwerk von Salla Tykkä, sind eine Mischung aus Selbstporträt und Behandlung kultureller Phänomene. Die den Frauen im Genre-Film traditionell zugewiesene Rolle erlaubt Salla Tykkä, im Rahmen der Beziehungen zwischen ihren weiblichen und männlichen Figuren über die Themen Sexualität und Emotion zu arbeiten. In einem im Internet veröffentlichten Text mit dem Titel On Power and Control schreibt Salla Tykkä: „Meine Werke sind autobiographisch und behandeln mein Verhältnis zu meiner Umgebung: Diese Experimente reflektieren sich in emotionalen Zuständen. Als Frau im engen Raum der westlichen Wertvorstellungen groß zu werden, ist nicht leicht gewesen.“[6]
Emilie Benoit
[1] “ During year 1995 I became interested in photographing.It worked like therapy to me after suffering from eating disorders for many years. I wanted to look at myself from a distance and accept myself the way I was.” (“1995 habe ich mich für Fotografie zu interessieren begonnen Es war wie eine Therapie für mich, nachdem ich jahrelang Eßstörungen gelitten hatte. Ich wollte mich mit einer gewissen Distanz betrachten und mich so wie ich war akzeptieren“. Zitat von Salla Tykkä auf der Webseite, die ihre Arbeit vorstellt: http://www.muu.fi/salla/index.htm)
[2] „For me, to make art is to conduct a continuous death struggle with myself.”, Salla Tykkä in On Power and Control, http://www.muu.fi/salla/powertext2.htm
[3] „In ‚Power' I was using boxing as an metaphor of life, the eternal struggle to find the balance between powers of both sexes. The bare breasted woman is the provocative part of the work. It underlindes the pain and it gives a special emotional tension to the piece.” in: Boiler, mars 2002, http://boilermag.it/article.php?sid=49
[4] http://www.muu.fi/salla/powertext.htm
[5] „Naked women boxing or wrestling are imagery typical of commercial sex. Yet despite their roles, these characters are passive objects subjected to the male gaze. In the work, the active character of the woman reflects a violent gaze towards the sender.” (“ Nackte Frauen, die boxen oder Kampfsport betreiben, sind Teil des typischen Bilderhandels im Sexgewerbe. Diese Figuren sind jedoch trotz ihrer Rolle passive, dem männlichen Blick ausgesetzte Objekte. In meiner Arbeit schleudert die aktive Figur der Frau dem Betrachter einen heftigen Blick zurück“) Salla Tykkä, in On Power and Control,
http://www.muu.fi/salla/powertext2.htm.
[6] „My works are autobiographical and deal with my relationship to my environment. These experiences reflect themselves in emotional states. Growing up as a woman in the narrow strait of Western values has not been easy.”, Salla Tykkä in On Power and Control, http://www.muu.fi/salla/powertext2.htm