Geboren 1937 in (Vereinigte Staaten)
Lebt und arbeitet in (Vereinigte Staaten )
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Biographie

Peter Campus, 1937 in New York geboren, gehört zur Generation amerikanischer Künstler, die sich in den Jahren 1960 - 1970 dem Medium Video zugewandt haben, um in der Nachfolge der Minimalisten die Begriffe des Raums und der Wahrnehmung durch die Miteinbeziehung des Betrachters in das Werk und den Ausstellungsraum zu hinterfragen. Vor dem Beginn seiner künstlerischen Laufbahn absolviert Campus zunächst ein Studium experimenteller Psychologie an der Ohio State University (1955-1960), und anschließend eine Ausbildung am City College Film Institute in New York (1961-62). Danach wird er Regieassistent, vor allem bei Joan Jonas. Anfang der 70er Jahre beginnt Campus mit dem Medium Video zu arbeiten. Zwischen 1971 und 1978 entstehen 18 Installationen und 9 Videobänder. Bereits in seinen ersten Videos, Dynamic Field Series und Double Vision, 1971, inszeniert Campus, wie schon Vito Acconci, Bruce Nauman, Dan Graham und andere, seinen eigenen Körper, um  die Zusammensetzung der physischen und psychischen Identität des Subjekts zu untersuchen. Dies führt die Theoretikerin Rosalind Krauss zu der Aussage, dass die Besonderheit des Mediums Video in seinem Narzissmus und seiner selbstkritischen Funktion liegt.1 Tatsächlich spielt der Künstler in Double Vision bereits mit den Wirkungen der Teilung und der Doppelbelichtung, die dank der Video-Technologie verwirklicht werden können: in der Sequenz 'Convergence' zum Beispiel ist Campus zu sehen, wie er, von seinem Doppelgänger in Form eines Schattens begleitet, in einem Zimmer auf und ab geht und wie die beiden Bilder allmählich aufeinander treffen. Dies zielt darauf ab, die Wahrnehmungen, die ein Individuum von seinem eigenen Körper im Raum hat, in einer phänomenologischen Logik zu beschreiben, aber auch den Begriff der Framentierung des Subjekts, zwischen der Essenz und der äußeren Erscheinung zu visualisieren. Campus definiert in diesem Sinne das Video als eine „Funktion der Realität“2 , das heißt ein Medium, das die Infragestellung der Kategorien Subjekt / Objekt, Innen / Aussen, Bewusstes / Unbewusstes favorisiert, zu der ihn seine psychologische Ausbildung initiiert hat. Diese Dichotomien wiederholen sich in seinen Arbeiten der siebziger Jahre, während die Videos aus dieser Zeit von einem formellen Standpunkt aus einige Schlüsselprinzipien des Trickfilms erforschen, wie die statische Einstellung im Gegensatz zur Bewegung, mit einer besonderen Beachtung der verschiedenen technischen Möglichkeiten, die das Medium Video bietet. Aus dieser Sicht präsentiert sich die Arbeit von Campus wie eine Untersuchung der Möglichkeiten dieses neuen künstlerischen Mediums. Three Transitions (1973), Campus' erstes Video, in Farbe in den Studios des experimentellen Fernsehsenders WGBH in Boston gedreht, verkörpert die verschiedenen Aspekte seiner Arbeit: In diesem Video schafft es der Künstler auf eine sehr unmissverständliche Art und Weise den Begriff der Verdoppelung sichtbar zu machen, dank der Ausnutzung einer neuen Technologie, dem “blue box process“, die die Übereinanderlagerung einer Sequenz mit einer anderen ermöglicht. Auf diese Weise sieht der Besucher im ersten Teil dieses Werks Hände, Arme und schließlich den Oberkörper Campus' aus seinem Rücken auftauchen. Das Prinzip ist auf die Übereinanderlagerung der Aufnahmen von Campus zurückzuführen, von hinten, von vorne; denn in der von vorne aufgenommenen Sequenz steht Campus in Wirklichkeit vor einem Papier, das er zerreisst. Die Übereinanderlagerung der beiden Aufnahmen ergibt so die Illusion als würde Campus seinen eigenen Körper zerreissen, während er in Wirklichkeit das Papier vor sich zerreisst.

Peter Campus' Installationen der siebziger Jahre (sieben davon wurden 1974 in seiner Einzelausstellung im Everson Museum of Art in Syracuse (N.Y.) gezeigt),  weisen dieselben Beschäftigungen auf wie die Videobänder, das heißt eine Forschung nach den psycho-sensorischen Folgen der Selbstdarstellung. Die 18 Installationen aus dieser Zeit sind alle nach dem technischen Prinzip des geschlossenen Kreises entstanden: eine Kamera ist direkt mit einem Videoprojektor verbunden, damit der Zuschauer in der Echtzeit projiziert sieht, was die Kamera aufgenommen hat - in diesem Fall sein eigenes Bild, das Bild eines Besuchers im Ausstellungsraum. Dieses Bild wird jedoch verändert (es erscheint seitenverkehrt, vervielfacht, im Negativ etc.) mit Hilfe verschiedener technischer Verfahren und Objekte (Spiegel in Kiva, 1971, Glas in Interface, 1972,  Zerrspiegel in Statis, 1973) im Raum in spezifischen Entfernungen und Winkeln. Das Bild existiert nur dann, wenn sich der Zuschauer in dem Bereich befindet, auf den die Kamera gerichtet ist; er nimmt also einen entscheidenden Platz in diesen Installationen ein und bestimmt den Inhalt. In der Installation Mem (1975), deren Titel sich sowohl auf die Worte „memory“ als auch auf „même“ bezieht (die Titel der Installationen von Campus bestehen häufig aus Wortfragmenten) ist der Betrachter eingeladen, sich der Projektionsfläche zu nähern, auf der sein Bild erscheint. Durch die Stellung der Kamera und des Projektors reduziert sich jedoch das Bild des Zuschauers je näher er kommt und verschwindet schließlich auf der rechten Seite. Was die drei letzten Installationen (Aen, Lus und Num, 1977) von Campus im geschlossenem Kreis angeht, so konzentrieren sie sich auf das Gesicht und den Oberkörper des Betrachters, die auf dem Kopf stehend projiziert werden. Die Konfrontation des Zuschauers mit einem ihm nicht vertrauten, da veränderten Selbstbild, dessen Qualität betont werden muss, stellt eine verwirrende Erfahrung in der visuellen und mentalen Wahrnehmung dar, während die Dunkelheit der Umgebung, manchmal durch ein rotes oder blaues Licht oder einen Spot erhellt, zur Dramatisierung des Raums beiträgt.

Dieser erste Teil der künstlerischen Praxis von Campus wird bald in mehreren Ausstellungen gezeigt, vor allem im Museum of Modern Art in New York und in der Hayden Gallery de MIT in Cambridge, 1976 (wo Campus im Übrigen zwischen 1976 und 1978 unterrichtet), dann im Whitney Museum of American Art in New York, 1978. In Deutschland werden ihm 1979 zwei Ausstellungen gewidmet, eine in Köln (begleitet von einem Katalog), die andere in Berlin.

Campus gibt 1979 die Arbeit mit Video auf, um sich der Fotografie zu widmen. In dieser Zeit beginnt die New Yorker Galerie Paula Cooper den Künstler zu vertreten. Doch zunächst benutzt der Künstler weiterhin das System der Projektion: es entstehen Polaroidbilder, Schwarz-Weiss-Porträts mit starken Kontrasten und sehr plastisch, die er dann auf Diapositive überträgt. Diese sind dazu bestimmt, in einem dunklen Raum fortlaufend gezeigt zu werden, und zwar in gewaltigem Ausmaß, womit er eine gewaltige Wirkung erzielt. Schließlich wird die Hinwendung zu diesem neuen Medium allmählich auch von einer Verschiebung des Inhalts begleitet: es ist nicht mehr die menschliche Gestalt, die Campus beschäftigt, sondern die Natur und die Außenwelt. Seine Fotoabzüge mittlerer Größe zeigen architektonische Elemente und Landschaften ohne jegliche menschliche Anwesenheit, aber auch Muschelschalen und Steine. Letztere sind in Großaufnahme fotografiert als würden sie im Dunkeln schweben, wie mysteriöse Mineralporträts.

Campus, stets Anhänger neuer Technologien, widmet sich Ende der achtziger Jahre und Anfang der neunziger Jahre Computerzeichnungen, in denen er verschiedene Bilder kombiniert, die er digital bearbeitet. Trotz dieser hochentwickelten Technologie behalten die Zeichnungen von Campus, auf Fotopapierabzügen, die poetische Qualität der Fotografien. Außerdem widmet der Künstler erneut einen Teil seiner Zeit mit Unterrichten, zunächst an der Rhode Island School of Design 1982-83, dann an der New York University, wo er 1983 zum  Associate Professor of Arts und Media ernannt wird.

Erst 1995 kommt Campus mit zwei Werken wieder auf Videoarbeiten zurück, Oliverbridge und Mont Desert, die als eine Art poetischer Meditationen zum Thema der Natur konzipiert sind, mit intimen, privaten Resonanzen. Diese Videobänder zeichnen sich durch die Einführung eines neuen Elements aus, dem Schnitt, und schließen so den ausschließlich linearen Charakter der Videos aus den siebziger Jahren aus. Campus misst von da dem Tonteil seiner Videos größere Bedeutung bei, die zum Beispiel aus in der Natur (die weiterhin das Herzstück der Arbeit des Künstlers bleibt) aufgenommenen Geräuschen bestehen.

 

Im Jahre 2003 widmet die Kunsthalle Bremen Campus eine ehrgeizige Ausstellung mit dem Titel Peter Campus Analog + Digital Video + Foto 1970-2003, die die ganze Laufbahn des Künstlers bis zu seinem gegenwärtigen Schaffen zeigt. Die Installation Video Ergo Sum von 1999 wird dort zum ersten Mal in einer Version präsentiertt, die 8 Monitore zählt (anstatt 4), die in mittlerer Höhe an der Wand befestigt sind. Jeder dieser Monitore strahlt ununterbrochen ein Video von ungefähr zwei Minuten  über ein bestimmtes Thema aus 'steps', 'island', 'sandpipers' etc.). Diese Videos eignen sich sowohl für einen Gesamtüberblick als auch für eine individuelle Betrachtung und fassen einen Teil von Campus' Forschungen zusammen. Sie konzentrieren sich auf die Natur, sind jedoch mit Aufnahmen von Händen oder Füssen verbunden, und erinnern an die allerersten Arbeiten des Künstlers, wie Dynamic Field Series.

Peter Campus führt heute seine Arbeit als Videokünstler fort. Von seinen kürzlich entstandenen Videos wäre Death Threat (2000) zu nennen und The Material of Shadow (2002), beide mit autobiographischem Inhalt, oder auch Edge of the Ocean (2003), zum Thema des Irak-Krieges.

Peter Campus lebt und arbeitet zur Zeit in East Patchogue im Staat von New York.

 

 

 

Frédérique Baumgartner


 

1 Rosalind Krauss, „Video: The Aesthetics of Narcissism“. October, Frühjahr 1976

2 Peter Campus, „Video as a function of reality“. Ausstellungskatalog Everson Museum of Art, Syracuse, NY, 1974