Sans soleil, 1982

PAL, Ton, Farbe


Poetische Mitteilung über das Verlangen und den Tod.

Nachdem ich nun den Titel gefunden habe, der meine Eindrücke zusammenfaßt, könnte ich es genug sein lassen.

In diesem Film, der keine Geschichte erzählt, sondern lediglich von Anekdoten, unbedeutenden Ereignissen, der Verwandlung von Gegenständen, der Göttlichkeit der Katzen und der Videospiele handelt, um daraus eine lyrische Collage zu machen, habe ich die Perfektion dieses antizipativen Filmgenres ebenso bewundert wie die Schönheit des Textes, der durch die herzzerreißenden Briefe von Sandor Krasna, einem dichten und brillianten Text, unterstrichen wird.
Doch man muß diesem Kunstwerk den seltenen Verdienst zugestehen, etwas Außergewöhnliches zu vollbringen, etwas wie eine unauffällige Inszenierung der extrem wissenschaftlichen Kenntnisse über die menschliche Gesellschaft von heute. Auf die so dünnen Wände zwischen den Welten, den Dingen, den Geschlechtern, Leben und Tod hinweisen, ist so, als würde man mit größter Strenge das heraussuchen, das wir mit einem aus der einstigen Architektensprache entliehen Wort als "Gefüge" bezeichnen. Die Seiten von Sans soleil sagen mehr aus als unsere Pädagogen über den Absolutismus des Geschlechts, über das Drama der Lebewesen, ihre Identität zu finden, über die Natur der Religionen, über die Macht und über die Logik des Scheiterns von Revolutionen, und schließlich über das Gewimmel an menschlichen Erfindungen, um den Kreislauf der Liebe und des Lebens zu schließen.

Ich habe ein beharrliches Kommen und Gehen afrikanischer und japanischer Bilder bemerkt. Mir ist auch die extrem große Vielfalt der Bezugnahmen aufgefallen: Personalleiter, zerbrochene Puppen, der Karneval von Bisseau, eine Zwanzigjahrfeier, die Verleihung der Dienstgrade bei den ehemaligen Guerilleros, der Selbstmord zweihundert junger Frauen im Krieg durch eine Granate, politische Predigten auf der Straße in Tokio usw. Unter der zarten Ruhe dieses Films verbirgt sich kein Gerümpel-Japan, sondern ein poetischer, rasend schneller Bericht, eine Art hyperindustrielle mythologische Herausforderung.

Beim Herausgehen dachte in an den europäischen Ausdruck Ars docta, die Kunst, die lehrt. Dieser Ausdruck wurde von den Menschen der Renaissance erfunden, um etwas sehr Humanes, Negeres und Japanisches zu sagen: Man kann nur fühlen. Mir fiel außerdem der Jargon der Ehemaligen ein, um das höchste tragische Wissen zu definieren: der Abdruck eines nicht rückgängig zu machenden Schrittes, den wir gehen mußten. Wir sind hier mitten in den Überresten dessen, was schon stattgefunden hat und in den Überresten dessen, was sich unbekanntermaßen erfüllen wird, wir sind hier in der Zeitlosigkeit des Verlangens und des Todes. Aus diesem Grund ist Sans Soleil nicht ein Juwel des elektronischen Zeitalters, sondern kündigt an, daß die Industrie zur Metapher der Menschheit wird.

Pierre Legendre